Content Silos: die furchtbaren Acht

Um Content-Strategien richtig zum Fliegen zu bringen, müssen inhaltliche Silos überwunden werden. Leicht gesagt, scheitern doch die meisten Versuche genau daran. Dieser Blog-Post legt den Finger auf die Wunde. Denn wie soll der gemeine Marketing-Verantwortliche Silos „überwinden“, wenn sie nicht als solche erkannt werden? Eine kleine Bestandsaufnahme

1. Das klassische Abteilungs-Silo

Das kennen wir alle. Verschiedene Abteilungen sind nicht in der Lage, ihre Content-Bemühungen zu synchronisieren. Das fällt immer dann auf, wenn es darum geht, abteilungsübergreifende Themen online zu platzieren. Das führt dann zu den üblichen Fragen: Wer hat die Gestaltungshoheit über dieses Thema? Wer liefert zu, wer hat den größten Nutzwert? Und so weiter. Wie erkennen wir die Symptome? Ganz einfach:

  • Botschaften mit gleicher Aussage, aber kontraproduktivem Wording
  • Inkongruente Botschaften zum gleichen Thema
  • Inhalte aus Abteilungen A sorgen bei den Kollegen aus B für Überraschung oder Missinterpretationen
  • Strategien aus Abteilungen A sorgen bei den Kollegen aus B für Probleme

Zu was das führen kann lehrt die Erfahrung:

  • Promotions, die aus vertrieblicher Sicht für einen kurzzeitigen Boost sorgen sollen, verursachen im Service Eruptionen, auf die die Kollegen nicht hinreichend vorbereitet sind.
  • Beispiel 2: Parallelwelten zwischen Corporate PR und Social-Media-Aktivitäten provozieren immer wieder sarkastisches Feedback aus der Community, die solche Inkonsistenzen gnadenlos und sportlich seziert.

2. Das Produkt- oder Feature-Silo

Ebenfalls ein Klassiker: Anbieter begnügen sich damit, ihre Produktangebote gemäß interner Katalog-Logik zu gliedern und darzustellen. Diese Systematik wird auf die Online-Kommunikation übertragen – bad idea, why? Als Folge dieser Vorgehensweise wird die fachliche/inhaltliche Verantwortlichkeit online fragmentiert. Produktmanagement ist Treiber der Situation. Eine übergreifende Agenda, ein gemeinsamer Ansatz? Kaum noch zu erkennen. Als Ergebnis entsteht oftmals eine eher mediokre Nutzererfahrung – ein Hüpfen von Feature zu Feature. Ähnlich gut aufgehoben fühlt man sich im Elektronik-Supermarkt, wenn man mal eine knifflige Frage hat, oder auf der Messe ohne Messeplan zur Hand.

3. Das Kundenphasen-Silo

Historisch gewachsen – aber in digitalen Kundenbeziehungen ein Hindernis. Die meisten Anbieter führen den digitalen Dialog in den verschiedenen Phasen des Kundenlebenszyklus mit potentiellen Kunden, Leads, Bestandskunden, der Community oder Multiplikatoren. Online publizieren ist ja billig, daher wird gerne redundantes Material verballert – es könnte ja sein, dass das die Gruppe XY auch noch interessiert. Auf diese Weise wird auf der Marketing-Seite gerne der Beweis besonderer Leistungsfähigkeit erbracht.

Aber außen vor gelassen wird die Tatsache, dass Content an Adressaten geht, der diesen in ihrer aktuellen Phase nicht nützt und dem daher auch keine besondere Aufmerksamkeit zuteilwerden wird – beispielsweise die Kommunikation von Features, die der Adressat bereits genießt, oder Produktdetails, die im Vorfeld Zielgruppen-Entscheidungen eher erschweren als erleichtern, weil sie nicht die übergreifenden Nutzwerte transportieren, die bei einer allgemeineren Anbieter-Recherche wichtig wären.

Das Kundenphasen-Silo ist im Übrigen auch ein Merkmal falsch verstandener SEO-Aktivitäten, denn jede Kundenphase hat einen anderen Suchfokus bezüglich Recherche, Vergleich, Detaillierung und Entscheidungsvorbereitung. Nutzer haben ihre persönliche Suchlogik, je nachdem, wie weit sie im Kundenlebenszyklus stehen. Guter Content trägt dem Rechnung – und gibt in jeder Phase die richtigen Antworten, mit Silo-Denken geht das nicht (siehe auch den Zero Moment of Truth).

4. Das Daten-Silo

Hier gilt es, zwei Silos voneinander zu unterscheiden:

  • die Daten, die inhouse vorhanden sind – aber in getrennten Bereichen,
  • und die Daten, die durch Online-Aktivitäten generiert werden – in verschiedenen Plattformen.

Inhouse-Daten-Silos sind das Produkt aus technischen Notwendigkeiten, die sich asynchron weiterentwickelt haben. Die Kardinalfrage war, welches System das bestandsführende Informationssystem sein sollte – und dann wurden alle Aktivitäten dieser Entscheidung untergeordnet. Wie viele Online-Angebote bestehen aus 95 % PIM und 5 % Nutzwert? Viel zu viele. Was passiert, wenn ich Nutzwertinformationen nicht in einem PIM habe, aber sinnvoll integrieren muss? Entweder etwas furchtbar Umständliches – oder gar nichts.

5. Das Kennzahlen-Silo

KPI-Silos treten gemeinhin anlässlich der unheimlichen Begegnung „Marketing Meets Big Data“ auf. Fassen wir doch mal zusammen, wie sich der Kennzahlen-Zirkus zusammensetzt, und zwar für selbstkontrollierte Kommunikation (Owned Media), bezahlte Kommunikation (Paid Media) und verdiente Kommunikation (Earned Media). Im Marketing wird nun mit einer Vielzahl von Währungen gehandelt: Pageviews, Konversionsraten, CPC, CPL, CTR, Open Rates, Ad Impressions, Ad ROI, AdWord CTRs, Awareness Indices, Anzahl Backlinks, Anzahl Mentions. Und auch noch die soziale Klaviatur: Pins, Posts, Tweets, Likes, Klout Scores, Shares, Referenzierungen etc. Ich bin sicher, ich habe hier nur die Spitze des Eisbergs wiedergegeben. Wie aber bringe ich die Kennzahlen in Beziehung, wie verstehe ich Einflussnahmen, die über Kanäle hinausgehen? Was ist, wenn der Newsletterlink über einen Tweet weiterempfohlen wird, der wiederum über Flipboard abonniert und kuratiert wird und daraufhin einen sozialen und später einen Sales-Impuls auslöst? Wessen Kennzahlen greifen hier (und Dubletten wollen ja auch vermieden werden)?

6. Das Entwicklungs-Silo

Wo befindet sich das Zentrum der Content-Entwicklung? Existierende Schwerpunkte prägen die Kommunikation – und auch deren Hindernisse.

  • Ist das Zentrum bei den Textern für Print verortet? Problem: Meist herrscht hier lineares Denken vor, nicht interaktiv, nicht in Snippets-, nicht in Konversions-, Inbound- oder SEO-Kategorien.
  • Ist das Zentrum bei SEO-traditionellen Spezialisten angebracht? Problem: Valider Content darf nicht nur Metriken bedienen. Zudem entgeht traditionellem SEO viel Potential durch Nichtberücksichtigung des Kundenlebenszyklus.
  • Legen wir alles in die Hand der Corporate Communication? Problem: Nichts geht da mehr schnell. Und: Ihre KPIs sind meist andere als im Marketing und im Vertrieb.
  • Oder lassen wir lieber das Produktmanagement an die Front? Denn die wissen am besten, was das Angebot ausmacht – und lassen da auch leider kein Wort aus, was zuweilen anstrengend sein kann.

7. Die Medien-Silos

Wer sich für einen Anbieter und dessen Produkte oder Dienstleistungen interessiert, möchte nicht darüber nachdenken, wie er zu den für ihn relevanten Informationen kommen kann:

Don’t make me think.

Was bedeutet das im Online-Leben? Es ist eigentlich ganz einfach. Nehmen wir als Beispiel Finanzdienstleistungen. Wenn mich ein Produkt interessiert (Fonds, strukturiertes Produkt, ETF, Anleihe etc.), dann hätte ich gerne alle relevanten Informationen an einer Stelle: Charts, historische Daten, Analysen, Videoerläuterungen, Präsentationen, Szenario- und Vergleichsrechner, makroökonomische Betrachtungen, Abstracts zu Research-Informationen … Leider muss ich das oft zusammensuchen – und das ist bei einem äußerst datengetriebenen Business doch recht ärgerlich.

8. Die Kanal-Silos

Zum Abschluss noch ein weiterer Klassiker. Dieser Silo-Typ tritt auf, wenn verschiedene Kanäle bzw. Touchpoints asynchron um das Publikum kämpfen – und in der Gesamtwirkung Inkonsistenzen aufzeigen. Kanal-Silos erkennen wir daran, dass jeder Kanal eigene Incentivierungsmaßnahmen für wiederkehrende Besucher auslobt, Botschaften und Inhalte den gleichen Sachverhalt oder Anlass vollkommen andersartig ausdrücken, Servicemeldungen unterschiedlich ausfallen (E-Mail, Online, Mobil, Telefon).

Kennen Sie noch mehr Content-Silos? Freue ich mich über Feedback. 

Romy Reichardt

Romy Reichardt

Senior Consultant Branded Content

Seit über 10 Jahren Content Expertin bei salient doremus mit Schwerpunkt Content Strategie, Content Usability und Coachings für Online-Redaktionen. Durch Ihre Arbeit in großen Unternehmen, wie Leo Burnett oder P&G weiß sie, was Content online leisten muss um Kunden wirklich zu überzeugen. Ihr Credo: Content isn't King – Content ist Vertrieb!

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Siehe auch:

Was genau ist guter Content?

(Lesezeit: 2 Minuten)