Dem Betrachter das Gefühl vermitteln er sei vor Ort

Wir setzen unsere Interview-Serie über professionelle Fotografie im Architektur-Umfeld mit Lars Gruber einem Fotografen aus dem Rhein-Main-Gebiet fort. 

Gerling: „Wie kamen Sie zur Architekturfotografie?“ 

Lars Gruber: Ich bin ausgebildeter Werbefotograf und habe lange Zeit im Studio gearbeitet, Still-Life und Food fotografiert. Das wurde mir irgendwann zu eintönig, ich wollte eine Veränderung, wusste aber noch nicht genau, wohin die Reise gehen sollte.  

Durch Zufall bin ich dann auf einen Artikel über die niederländische Stadt Almere gestoßen, die seit 1975 auf trockengelegtem Meeresboden gebaut wird. Es ist die am stärksten wachsende Stadt in den Niederlanden, mit unglaublich vielfältiger, moderner Architektur. Das fand ich interessant, bin hingefahren, habe eine Woche lang dort fotografiert, und wusste sofort: das ist es, was ich in Zukunft machen will!
Seitdem begeistere ich mich für Architektur und die verschiedenen Möglichkeiten, diese visuell in Szene zu setzen, und habe mich daher auf Architekturfotografie spezialisiert.
 

Gerling: „Wie lange sind Sie als Fotograf mit diesem Schwerpunkt tätig?“ 

Lars Gruber: Seit etwas mehr als 10 Jahren.“ 

Gerling: „Was fasziniert Sie an der Architekturfotografie?“ 

Lars Gruber: „Architekturfotografie ist unglaublich abwechslungsreich, kein Projekt ist wie das andere. Ich fotografiere häufig Großprojekte, Hochhäuser, Unternehmenssitze usw., aber auch kleinere Architektenhäuser, bei denen viel Arbeit in den Details steckt.

Die Herausforderung ist, für jedes dieser Projekte individuelle Fotografie-Ansätze zu finden, die die Besonderheiten der Architektur herausarbeiten und gleichzeitig spannend für den Betrachter sind.  

Gerling: „Was ist der schwierigste Teil bei Ihren Projekten? Auf welche Hürden stoßen Sie immer wieder?“ 

Lars Gruber: Definitiv die Organisation im Vorfeld. Oft sind Projekte zwar aus Sicht der Auftraggeber fertiggestellt, vor Ort stehen aber trotzdem noch Bauzäune oder Container vor dem Gebäude. Bei Innenaufnahmen kommt es sehr oft vor, dass in einem Raum noch letzte Arbeiten ausgeführt werden, während im nächsten schon die Umzugskartons der Mitarbeitenden stehen. Gerade größere Projekte müssen daher oft an verschiedenen Terminen fotografiert werden, je nachdem wann die einzelnen Abschnitte dann auch wirklich fertig sind. Das erfordert intensive Kommunikation mit den verschiedenen Projektbeteiligten. Und zusätzlich muss auch noch das Wetter passen, was sich oft erst wenige Tage vorher mit Gewissheit voraussagen lässt. 

Gerling: „Was macht das perfekte Architekturfoto aus? Wie muss ein Bild aussehen, damit Sie zufrieden sind?“ 

Lars Gruber: „Ich will mit meinen Fotos einen leichteren Zugang zu moderner Architektur schaffen, die in der Öffentlichkeit gelegentlich als nüchtern oder auch kalt wahrgenommen wird. Darum versuche ich so oft es geht, den Mensch als Nutzer der Architektur in die Aufnahmen mit einzubeziehen. Ein gutes Foto sollte ein lebendiges Bild des Bauwerks zeichnen, Atmosphäre vermitteln, und dem Betrachter das Gefühl geben, selbst vor Ort zu sein. 

Gerling: „Ungeübte Betrachter sehen oft nicht die Qualität guter Fotografie. Was würden Sie diesen Laien raten, woran sie Qualität erkennen?“ 

Lars Gruber: Ich finde, dass ein gutes Foto auch Laien sofort ansprechen sollte. Das sehe ich auch als meine Aufgabe an: Architektur durch spannende Bilder jedem zugänglich zu machen, nicht nur den Architekten. Wenn Laien keinen Unterschied zwischen einem professionellen Foto und einem Handy-Foto erkennen, hat der Fotograf meiner Meinung nach etwas falsch gemacht.

Architekturfotografie ist eben mehr als nur ein Bild eines Gebäudes. Ich versuche, durch interessante Perspektiven, Lichtverhältnisse, den Einsatz von Models etc. das Gebäude in Szene zu setzen. Als gelernter Werbefotograf will ich mit meinen Fotos das Projekt natürlich auch möglichst gut „verkaufen“, um so einen Mehrwert für die Auftraggeber zu schaffen. 

Gerling: „Wie ist Ihre Herangehensweise bei einem neuen Projekt?“ 

Lars Gruber: Zunächst versuche ich im persönlichen Gespräch möglichst viel über das Projekt und die Hintergründe zu erfahren. Anschließend lasse ich mir meistens Pläne schicken, am besten auch Baustellenfotos, um einen ersten Eindruck zu bekommen. Nach Möglichkeit organisiere ich eine gemeinsame Begehung vor Ort, um noch mehr über das Gebäude zu erfahren und erste Standpunkte zu finden. Danach geht es dann an die weitere Planung, Genehmigungen einholen, Assistenten oder Drohnenpiloten buchen, den Sonnenverlauf vor Ort checken, Models engagieren usw. 

Gerling: „Nutzen Sie eine spezielle Ausrüstung?“ 

Lars Gruber: Ich fotografiere mit Kleinbild-Kameras von Canon und Tilt-Shift-Objektiven. Die bieten ein hohes Maß an Flexibilität und Mobilität, was mir sehr wichtig ist.“  

Gerling: „Wie stark bearbeiten Sie Ihre Bilder nach?“ 

Lars Gruber: Die beste Retusche ist die, die man nicht sieht. Natürlich mache ich kleinere lokale Anpassungen, Farbkorrekturen usw. Die haben aber immer das Ziel, die Lichtstimmung der Aufnahme möglichst unverändert zu lassen, und einen realistischen Eindruck des Gebäudes zu vermitteln. Ich bin überhaupt kein Fan von übertriebenen Bild-Looks, HDR-Fotos oder radikaler Retusche.“ 

Gerling: „Was empfehlen Sie Architekten und Unternehmen, wenn kein Budget für professionelle Architekturfotografie vorhanden ist?“ 

Lars Gruber: Diese Aussage würde ich stark anzweifeln. Das Problem ist so gut wie nie das fehlende Budget, sondern meistens fehlende Wertschätzung für gute Fotografie. Unter meinen Kunden sind einige kleine Büros mit zwei bis drei Mitarbeitenden, die noch relativ am Anfang Ihrer Karriere stehen. Sie haben aber trotzdem die Wichtigkeit guter Fotos für Ihre Öffentlichkeitsarbeit erkannt, wollen Ihre Projekte in der Fachpresse publiziert sehen oder bei Awards einreichen, und mit einer professionellen Darstellung Ihrer Arbeiten neue Kunden und Bauherren von sich überzeugen.  

Es gibt außerdem auch Lösungen für kleine Budgets, z.B. durch Cost-Sharing-Modelle mit anderen Projektbeteiligten. Das setzt aber voraus, dass man den Fotografen als Partner auf Augenhöhe begreift und nicht als reinen Dienstleister, der nach dem günstigsten Angebot ausgesucht wird.  
     
Rein technisch betrachtet, kann man seine Projekte natürlich auch selbst fotografieren, Kameras kosten nicht mehr viel und YouTube liefert die Tutorials. Man muß sich aber als Architekturbüro auch die Frage stellen: welches Bild vermittele ich potenziellen Auftraggebern, die mir Bauprojekte mit großen Budgets anvertrauen sollen, wenn ich nicht mal bereit bin, meine eigenen Projekte anständig fotografieren zu lassen? “ 
 

Gerling: „Was wird sich in den nächsten fünf bis zehn Jahren ändern – gibt es einen Trend? Wird z.B. das Video das unbewegte Bild in der digitalen Kommunikation verdrängen?“ 

Lars Gruber: Der Trend geht auf jeden Fall zu multimedialen Darstellungen von Architektur. Video wird definitiv eine wichtigere Rolle spielen, Fotos aber weiterhin auch. Ich denke, dass bei der Präsentation dieser Inhalte noch ganz viel Luft nach oben ist, wir werden in den nächsten Jahren flexiblere und interaktivere Web-Layouts bekommen, und Social Media wird natürlich auch immer wichtiger werden. Genau da sehe ich auch die Aufgabe für Fotografen in der Zukunft: immer am Ball bleiben, die neuen Technologien kreativ nutzen, und dem Kunden als Experte für die visuelle Kommunikation von Architektur zur Seite stehen.“ 

Gerling: „Auf welche zwei, drei Architektur-Projekte, die Sie fotografiert haben, sind Sie besonders stolz und warum?“ 

Lars Gruber: Das Projekt „DB Brick / DB Tower“ ist für mich ein ganz besonderes, weil ich es von Anfang an begleitet habe, angefangen mit einer Dokumentation der Bauphase über Drohnenfotos und Videos, bis hin zu den finalen Aufnahmen im Spätherbst, bei denen die Lichtstimmung perfekt die rote Ziegelfassade unterstreicht. 

„The Docks“ ist auch sehr schön geworden. Hier musste ich im Vorfeld viele Genehmigungen einholen, um von der gegenüberliegenden Hafenseite fotografieren zu dürfen, aber der Blick auf das Gebäude übers Wasser ist einfach einzigartig. Ein persönliches Highlight ist auch die Tanzschule in Pfungstadt – ich hatte schon von Anfang an das Bild mit der Tänzerin im Fenster im Kopf, also haben wir professionelle Ballett-Tänzerinnen für das Shooting organisiert.  
 
Dergleichen setzt natürlich auch Vertrauen aufseiten der Auftraggeber voraus, aber am Ende entstehen die besten Aufnahmen meistens dann, wenn man mal etwas Neues ausprobiert. 

 

Gerling: „Danke für das aufschlussreiche Gespräch, Herr Gruber!“

 

Kurzprofil 

Geboren 1981 in Offenbach und aufgewachsen in der Nähe von Frankfurt am Main, hat Lars Gruber nach dem Abitur eine klassische Fotografen-Ausbildung in einem großen Werbestudio abgeschlossen. Nach einigen Jahren als freier Assistent bei verschiedenen Werbe- und Architekturfotografen, hat er mit einer Kollegin ein Studio gegründet, in dem für Kunden aus Gastronomie und Großhandel hochwertige Food- und Produktaufnahmen realisiert wurden.

Seine wahre Leidenschaft galt jedoch schon immer der Architekturfotografie, und so hat er sich im Oktober 2011 dazu entschieden, der Studio-Fotografie den Rücken zu kehren. Seitdem ist er immer unterwegs, auf Baustellen, in Fabrikanlagen, vor allem aber in den spannendsten neuen Bauprojekten der Republik.

Seine Kunden aus den verschiedensten Bereichen der Architektur schätzen seine Zuverlässigkeit und seinen Anspruch, aus jedem Projekt das beste Ergebnis herauszuholen. So hat sich mit vielen seiner Auftraggeber ein Vertrauensverhältnis entwickelt, das schon über mehrere Jahre besteht. 

 

Folgen Sie uns auf LinkedIn

Werden Sie Mitglied in der LinkedIn Gruppe „Digitales Architekten-Marketing“

Abonnieren Sie wertvolle Zielgruppen-Insights

Alexander Gerling

Alexander Gerling

Gründer und Geschäftsführer von salient doremus.

Experte für 3D-Content mit Schwerpunkt hochauflösende HDRI Visualisierungen, WebGL und didaktischer Animation. Er vereint technisches Verständnis, räumliches Vorstellungsvermögen und fotografische Fähigkeiten. Seit vielen Jahren aktiv umsetzend kennt er Prozesse, Formate und Fallstricke bei der Verwendung großer Datenmengen. Er ist kompromisslos im Detail, verliert nie den Blick für das Große Ganze und denkt auch in interaktiven Kategorien. Sein Anspruch: Virtuelle Welten, die der Realität in nichts nachstehen.

Siehe auch:

Content Silos: die furchtbaren Acht

(Lesezeit: 2 Minuten)