Ein Foto soll die Realität abbilden und ehrlich dokumentieren
Gerling: „Wie kamen Sie zur Architekturfotografie?“
HG Esch: „Mit 13 erfüllte mir mein Vater einen großen Wunsch und schenkte mir eine Spiegelreflexkamera. Damit fotografierte ich Burgen und Schlösser, die es in meiner Heimat dem Rheinland in Hülle und Fülle gibt. Später kamen Städte und historische Gebäude als Motive hinzu.“
Gerling: „Wie lange sind Sie als Fotograf mit diesem Schwerpunkt tätig?“
HG Esch: „Seit mehr als 30 Jahren arbeite ich als Architekturfotograf. Ich wurde ganz klassisch als Fotograf ausgebildet. Als Geselle nahm ich an einem Architektur-Fotografie-Wettbewerb der Stadt Düsseldorf teil. Ich gewann und hatte so die Möglichkeit, mehr als 100 Gebäude für einen Architekturführer in Bildern festzuhalten. Nach dem zehntausendzehnten Portraitfoto hatte ich keine Lust mehr auf das zehntausendelfte und widmete ich mich meiner Leidenschaft, der Architekturfotografie.“
Gerling: „Was fasziniert Sie an der Architekturfotografie?“
HG Esch: „Mich fasziniert die Architektur selbst, die Geschichte der Architektur, die Architektur in verschiedenen Kulturen und wie Menschen über Architektur ihre Identität entwickeln.“
Gerling: „Was ist der schwierigste Teil bei Ihren Projekten? Auf welche Hürden stoßen Sie immer wieder?“
HG Esch: „Das Wetter, da es einer der Faktoren ist, die nicht direkt planbar sind. Wobei jedes Wetter seine Reize hat. Dann Restriktionen: ich arbeite (Anm. d. Red.: vor Corona) sehr viel in China, dort gibt es viele Einschränkungen im Umfeld; Bereiche, die nicht betreten werden dürfen und Areale, die nicht von Drohnen überflogen werden dürfen.
Gerling: „Was macht das perfekte Architekturfoto aus? Wie muss ein Bild aussehen, damit Sie zufrieden sind?“
HG Esch: „Das Foto muss ein lebendiges Bild des Bauwerks zeichnen. Es muss Atmosphäre vermitteln und dem Betrachter das Gefühl geben, selbst vor Ort zu sein. Authentizität und Stimmung sind mir wichtig. Oft lege ich Wert darauf, dass Menschen mit im Bild sind, dadurch hat der Betrachter einen leichteren Zugang zur oft nüchternen Architektur, dies gilt besonders für moderne Gebäude.“
Gerling: „Ungeübte Betrachter sehen oft nicht die Qualität guter Fotografie. Was würden Sie diesen Laien raten, woran sie Qualität erkennen?“
HG Esch: „Vergleichen! Einfach Fotoserien mit der gleichen oder ähnlichen Aufgabenstellung nebeneinander legen. Ich persönlich liebe den Wettbewerb und den direkten Vergleich mit anderen Fotografen.“
Gerling: „Wie ist Ihre Herangehensweise bei einem neuen Projekt?“
HG Esch: „Da gibt es keine Formel! (lacht) Zum Glück. Ein neues Projekt beginne ich analytisch, mit Gesprächen mit Architekten und Bauherren. Ich versuche möglichst viel über die Grundgedanken des Gebäudes zu erfahren. Ich nutze alles, was zur Verfügung steht, Pläne, Renderings, schaue mir den Standort an und lasse vor Ort das Gebäude auf mich wirken. Dabei entstehen, dank meiner Erfahrung, die ersten Ideen und Fotos, die ich dann als Grundlage für das Briefing-Gespräch nutze.“
Gerling: „Nutzen Sie eine spezielle Ausrüstung?“
HG Esch: „Ja. Früher benutzte ich großformatige Plattenkameras, diese setze ich heute nur noch im Studio ein. Heute kommen vollformatige Digitalkameras und Shift-Objektive zum Einsatz. Die Auflösung und die Empfindlichkeit sind inzwischen so hoch, dass man sich leicht auf neue Verhältnisse einstellen kann.“
Gerling: „Wie stark bearbeiten Sie Ihre Bilder nach?“
HG Esch: „Ich verändere meine Fotos so wenig wie möglich. Mir ist es wichtig, auch Zufälliges und manchmal auch Störendes bestehen zu lassen. Ich möchte die spontane Situation festhalten. Ein Foto soll die Realität abbilden und ehrlich dokumentieren.“
Gerling: „Was empfehlen Sie Architekten und Unternehmen, wenn kein Budget für professionelle Architekturfotografie vorhanden ist?“
HG Esch: „Zumindest ein kleines Budget ist immer vorhanden, denn jedes Architekturbüro und jeder Bauherr weiß um die enorme Wichtigkeit von professionellen Architekturfotos.“
Gerling: „Was wird sich in den nächsten fünf bis zehn Jahren ändern – gibt es einen Trend? Wird z.B. das Video das unbewegte Bild in der digitalen Kommunikation verdrängen?“
HG Esch: „Der Trend geht auf jeden Fall zu multimedialen Darstellungen von Architektur. Video wird definitiv eine wichtigere Rolle spielen, Fotos aber weiterhin auch. Ich denke, dass bei der Präsentation dieser Inhalte noch ganz viel Luft nach oben ist, wir werden in den nächsten Jahren flexiblere und interaktivere Web-Layouts bekommen, und Social Media wird natürlich auch immer wichtiger werden. Genau da sehe ich auch die Aufgabe für Fotografen in der Zukunft: immer am Ball bleiben, die neuen Technologien kreativ nutzen, und dem Kunden als Experte für die visuelle Kommunikation von Architektur zur Seite stehen.“
Gerling: „Auf welche zwei, drei Architektur-Projekte, die Sie fotografiert haben, sind Sie besonders stolz und warum?“
HG Esch: „Die Fotografie ist schon immer im Wandel. Für uns geht aktuell der Trend hin zu immer mehr Videos, die heute mit der bestehenden Kameraausrüstung und Shift-Objektiven ohne stürzende Linien aufgezeichnet werden können. Videos nehmen inzwischen 30% unseres Umsatzes ein. Mit dem Video wird eine Geschichte erzählt, Fotos dagegen sind unschlagbar, um einen Moment mit einer Aussage einzufangen.“
Gerling: „Danke für das sehr interessante Gespräch, Herr Esch“
Kurzprofil

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Alexander Gerling
Gründer und Geschäftsführer von salient doremus.
Experte für 3D-Content mit Schwerpunkt hochauflösende HDRI Visualisierungen, WebGL und didaktischer Animation. Er vereint technisches Verständnis, räumliches Vorstellungsvermögen und fotografische Fähigkeiten. Seit vielen Jahren aktiv umsetzend kennt er Prozesse, Formate und Fallstricke bei der Verwendung großer Datenmengen. Er ist kompromisslos im Detail, verliert nie den Blick für das Große Ganze und denkt auch in interaktiven Kategorien. Sein Anspruch: Virtuelle Welten, die der Realität in nichts nachstehen.
